04.06.2015 Fronleichnam
Es ist das erste Mal seit Bestehen unseres Vereins, dass eine Vorstandsreise zur Vorbereitung unserer Jubiläumsprojekte stattfindet.
Wir treffen uns im Süden von Wuppertal und fahren mit Michaels Auto gemeinsam zum Flughafen. Das Parkhaus Nummer 5 ist nicht leicht zu finden, denn es steht nirgendwo auf den Hinweisschildern. Aber mit vereinten Kräften schaffen wir es doch, den reservierten Parkplatz zu erreichen. Mit dem „Himmelszug“, nicht der Bimmelbahn, sausen wir zum Terminal A. Eingecheckt haben wir – also geht es sofort in die Kontrollschleusen. Die Untersuchungen sind sehr lasch, denn Michaels Schweizer Messer wird nicht entdeckt.
Ein kleiner Imbiss hilft uns über die Zeit – die Neugier auf Russland nimmt bei Alex und Michael stärkere Züge an.
Der Zubringerbus zum Flugzeug ist überfüllt. Zusammengekauert sitzt Alex zum Teil auf dem Koffer und auf einem Notsitz. Menschen drängen in das Flugzeug – gelassenes Warten ist für manche Zeitgenossen schwierig. Wir haben Plätze an den Notausgängen mit großer Beinfreiheit ergattert – super!!! Aber, wo ist Alex´s Handy? Schnell ist klar, sie hat es im Bus aus der Hosentasche verloren. Die Stewardess ruft beim Busfahrer an, doch er kann das Handy nicht finden. Langes Gesicht und schnelle Aufhellung, denn Michael wird mit seinem Handy aushelfen.
Der Flug nach Moskau scheint kurz zu sein und er ist angenehm. Mit dem Handgepäck sind wir schnell an den neuen Ausgängen in der Ankunftshalle und entdecken sofort unseren Fahrer Alexsej. Vieles hat sich in Domodjedovo zum Positiven verändert. Auf dem riesigen Parkplatz erreicht Alexej die Ausfahrt geschwind auf Schleichwegen – diese russischen Fahrer sind genial.
Es ist sehr warm in Moskau und der Verkehr fließt zunächst gut. Aleksej fährt zügig und sehr sicher, aber bald geht es nur noch schleppend. Bei anregenden Gesprächen spielt das keine Rolle – ca. 100 Kilometer vor Smolensk staut sich der Verkehr. Nach fast einer Stunde erreichen wir eine Unfallstelle. Ein grausiger Anblick. Ein kleiner LKW und ein PWK sind frontal zusammengestoßen. Das war hier wegen des fehlenden Mittelstreifens irgendwann zu erwarten. Beeindruckt von dem Geschehen fahren wir schweigend aber sicher weiter. Nach sechs Stunden Fahrt sind wir am Hotel Smolensk.
Etwas später treffen wir uns mit Katja zum Abendessen, um das Programm der nächsten Tage zu besprechen – 18 ereignisreiche Reisestunden liegen hinter uns.
05.06.2015 Freitag
An der Humanistischen Universität ist gegen 8 Uhr noch kein Mensch bei der Arbeit – ach, es sind ja auch Ferien und die Studierenden kommen nur zu Prüfungen in die UNI.
Dann geht man in Smolensk am besten um diese Zeit ins Café Terra – das hat von 8 bis 23 Uhr geöffnet (täglich). Die Qualität des Kaffees und der Speisen ist seit 12 Jahren gleichbleibend Extraklasse – so etwas gibt es in Hagen schon lange nicht mehr.
Leider hat die Konditorei, die zum Café Terra gehört, noch geschlossen. Gern nimmt man zu Besuchen in Smolensk eine ganze Torte mit, denn sie sind in der Konditorei nur so teuer wie zwei Stückchen im Café.
Nach kurzer Stippvisite im Rathaus, geht es eilends zum Hotel. Auf dem Weg dorthin treffe ich am Ausgang des Glinkaparks auf eine Gruppe malender Schüler. Die kleine Gruppe wird von einer Professorin betreut, die es sich nicht nehmen lässt in ihrer Freizeit Malschüler zu unterrichten. Die Schüler sind mit großer Freude bei der Sache!!!
Im Übrigen fällt auf, wie sauber die Stadt in diesen Tagen ist – nicht eine Zigarettenkippe oder ein Fitzelchen Papier ist zu sehen. Mir scheint, die vielen Besuche der Smolensker in Köln haben die Heinzelmännchen von dort nach Smolensk gelockt. Und es gibt keine neugierige Bäckersfrau.
Alex und Michael tafeln in einem nagelneuen Frühstücksraum.
Der erste Rundgang dient der Übersicht in der Stadt. Michael und Alex lernen einige interessante Geschäfte und einen Andenkenladen kennen. Dann führt uns der Weg über die Sovjetskayastraße vorbei an der Bibliothek zur Kathedrale. Es ist gerade Gottesdienst und der berühmte Chor der Uspensky-Kathedrale singt hinter der riesigen vergoldeten Ikonenwand. Andächtig hören wir auf einer Bank sitzend zu. Zahlreiche Menschen, auch viele junge, nehmen an dem Gottesdienst teil – eine sehr besinnliche Stimmung, die uns für eine kurze Zeit in die eigene Gedankenwelt entführt – innehalten, entspannen, an liebe Menschen denken, Kerzen kaufen und anbrennen. Von der Stimmung ergriffen treten wir in das gleißende Sonnenlicht. Ein Foto unterhalb der großen Treppe mit Blick auf die imposante Kathedrale muss sein.
Tausende Gerüche strömen in der alten Markthalle in unsere Nasen. Den Anblick der vielfältigen breiten Angebote muss man erst einmal erfassen. So viele interessante Waren werden nicht einmal in der neuen Rotterdamer Markthalle angeboten. Zunächst kauft Alex lang vermisste russische Süßigkeiten. Mir fallen unerwartet Beutelweise koreanische Leckereien in die Hände – damit steht fest, dass wir am Abend zu Aleksej Dovgan zum Essen in sein Atelier gehen müssen. Draußen an unübersehbar vielen Ständen wird das interessante Angebot in seiner Vielfalt abgerundet. Von einem Mangel durch europäische Sanktionen ist nichts zu erkennen. Die Angebote scheinen noch größer zu sein als vor einem Jahr – aus eigener Produktion aus Südamerika und aus Asien. Die russischen Händler besonders die Händlerinnen sind sehr geschickt, Engpässe zu kompensieren.
Zurück über den Dnjepr gehen wir die steile Straße hinauf, die parallel zur Sovjetskaya verläuft. Auch hier eine Neuerung. Schöne kleine Einfamilienhäuser und ein Hotel sind entstanden. Am Tenesheva-Kulturzentrum werden vier Veranstaltungen für diese Tage beworben.
Im Hotel kleiden wir uns für einen Besuch bei einem zukünftigen Partner um. Den Termin schaffen wir pünktlich und es entwickeln sich interessante Gespräche, die über fast zwei Stunden andauern. Hier kann positives Neues für unsere Partnerschaft entstehen.
Mit der Straßenbahn rattern wir zum Mittagessen – „Ihr seid die einzigen Fremden, die mit unserer Straßenbahn fahren“, meint Katja. Für uns ist eine Fahrt mit der Smolensker Straßenbahn ein MUSS. Nach wenigen Minuten hält die Bahn in der Nikolajevastraße. Alte Frauen verkaufen dort noch Maiglöckchen in dicken Sträußen und alles Mögliche, was Vorratskammer und Garten noch oder schon wieder hergeben. In der Mittagszeit drängen sich die Menschen auf den breiten Gehwegen, einige wollen etwas in nahegelegenen Geschäften einkaufen oder eines der Cafés oder Restaurants aufsuchen.
Wir erwarten zum Schwedischen Tisch unsere Smolensker Mitglieder. Dieses gemeinsame Essen hat inzwischen Tradition und es kommen tatsächlich 50 % aller Smolensker Mitglieder unseres Vereins. Alle berichten über ihr persönliches Befinden und das ihrer Familien und sind neugierig zu hören, was wir demnächst unternehmen werden. Es geht lebhaft zu und leckere Speisen und Getränke werden verputzt. Aleksej weist darauf hin, dass gerade eine Ausstellung seiner Bilder in der Philharmonie eröffnet wurde und schlägt einen kurzen Abstecher dahin vor. Doch Michael und Alex möchten zunächst in den am Morgen entdeckten Andenkenladen.
Beim Verlassen des Lokals treffen wir alte Freunde!
Der Zerberus am Künstlereingang der Philharmonie muss erst Olga, die Direktorin, fragen, ob Aleksej und ich die Bilder betrachten dürfen – wir dürfen. Aleksej hat eine gute Mischung seiner Bilder präsentiert – sie passen sehr gut in die Nachbarschaft der riesigen Ölbilder im Eingangsbereich.
Gegen 16 Uhr treffen wir mit den Klassik-Gitarristen um Prof. V. Pawljuchenko zusammen. Erwartungsvolle Augen erforschen unsere Mimik. Bei kühlen Getränken sprechen wir alle Fragen der Reise nach Hagen durch. Zu den „Sieben Gitarristen“ gehören auch zwei Weißrussen, die schon ewig in Smolensk leben. Wir hoffen, dass es mit deren Visa klappen wird. Die Gruppe wird mit PKWs nach Hagen reisen – das wird ein spannendes Abenteuer, das Michael zu der Bemerkung ansteckt, auch demnächst mit dem Auto nach Smolensk reisen zu wollen – Uwe, Bernhard und die anderen „alten“ Kempen von Hagenring lassen grüßen.
Wieder werden wir von Freunden auf der Oktoberrevolution-Straße erkannt und wir müssen ein Schwätzchen führen.
Der Zerberus in der Philharmonie ist beim zweiten heutigen Besuch nur sehr schwer zu passieren, aber es gelingt uns doch und so können Alex und Michael auch Aleksejs Ausstellung bewundern. Beim Anblick der Bühne kann Micheal nicht widerstehen, dem Flügel ein paar Töne zu entlocken – klingt selbst bei ihm schweigend toll.
Ja, ja, wir müssen noch ins Atelier, um dort, wie üblich, zu essen. Der Kleinbus Nr. 22 ist ideal für die Fahrt auf die rechte Flussseite. Auch diese Busse sind teurer geworden, aber nach wie vor sind sie proppenvoll. Wir überleben die Fahrt.
Im neuen Supermarkt kaufen wir noch einiges ein – besonders reizen die tollen Früchte aus Uruguay. Die Preise für Lebensmittel sind seit unserem letzten Besuch kaum gestiegen. An der nächsten Straßenecke hat „Pizza Domino“, die führende Restaurantkette in Smolensk, ein schickes neues Restaurant eröffnet – Aleksej und Lena sind davon begeistert.
Aleksej hat den Türöffner für die Haustür verloren – Schlupfloch in der Hosentasche. Er macht die Nachbarn rebellisch und schon öffnet sich die schwere Stahltür. Es folgen sieben Etagen bis zum Atelier. Alex und Michael, die das erste Mal hier sind, fühlen sich sofort heimisch, doch zunächst muss „Obama“, der inzwischen zwei Jahre alt ist und vier Schlaganfälle hinter sich hat, versorgt werden – ach so, „Obama“ ist Lenas schwarze Ratte, die auf Menschenalter umgerechnet über 100 Jahre alt ist. Der persönliche Tierarzt spricht angeblich von einem Phänomen. Der Appetit von „Obama“ ist gut und alsbald können wir uns den Salaten, dem Sushi und einem kühlen Bierchen widmen. Aleksej erklärt Michael und Alex seine Werke und erzählt von seinen Schmuckstücken. Dummerweise können viele reiche Menschen aus Moskau ihren bestellten Schmuck nicht immer bezahlen – unser Tipp lautet: Vorkasse für Moskau! Aber die Schmuckunikate sind unbeschreiblich gut.
Wir kommen auf den 9. Mai zu sprechen, denn Aleksej hat dafür gesorgt, dass der Brief des „Hagener Friedenszeichens“ pünktlich in der örtlichen Presse veröffentlicht wurde. „Das war toll von euch Hagenern!“ so seine Meinung. „Aber warum ist Frau Merkel nicht zu uns gekommen: zu UNS, dem russischen Volk. Weiß sie nicht, dass das DER Feiertag des russischen Volkes ist? Sie hätte ja nicht an der Parade auf dem Roten Platz teilnehmen müssen, aber doch mit den Hundertausenden Angehörigen der Millionen Verstorbenen durch Moskau gehen können. Sie hat sich, den Deutschen und den Europäern keinen guten Dienst erwiesen, am 10. Mai nur Putin zu besuchen“, argumentiert er und damit liegt er gewiss nicht falsch! Aber es lässt sich nicht mehr ändern und die Erde dreht sich weiter……
Schon ist es nach 21 Uhr. Elena kommt und wir fahren mit ihrem neuen Auto zurück in die Altstadt. Herzlicher Abschied – bis Morgen.
Im Supermarkt in der Leninstraße kaufen wir noch etwas Essbares ein – vorwiegend Süßes.
Michael gesteht gegen 22 Uhr, als wir zum Hotel schlendern, dass er in seinem Leben noch nie so platt gewesen ist (körperlich wie mental) wie in diesem Augenblick, aber auch selten so rundum zufrieden …….
06.06.2015 Samstag
Der Nusskuchen im Café Terra ist köstlich. Auf Umwegen gehe ich zum Hotel Smolensk. Handy vergessen – zurück zur Wohnung. Der neue Treffpunkt ist das Schuhgeschäft Helmer, denn hier wird man immer fündig, modische Schuhe zu kaufen.
Die Sbergbank hat eine sehr moderne Filiale, in der sich alle Geldgeschäfte reibungslos abwickeln lassen – Geld wechseln ist hier im Gegensatz zu Hagen noch ohne Probleme möglich. Auch ein Umstand, in dem sich Smolensk positiv von Hagen abhebt.
Heute sind unzählige Kinder und Studierende in den Parkanlagen, um die tollen Smolensker Altstadtmotiv auf Papier und Leinwand zu verewigen – es vermittelt eine sehr positive und gelöste Stimmung, und die jungen Menschen sind allesamt fröhlich bei der Sache.
Auf dem Weg treffe ich Petr Fishman und berichte ihm, dass wir seinen „Buttje“ wieder in der Volme geborgen und auf seinen Sockel gehieft haben. Er wird sich das im Internet ansehen.
Durch den schattigen Glinkapark spazieren wir zum Puppentheater und an jeder Ecke arbeiten malende Kinder und Jugendliche mit ihren Lehrern. Schon am Eingang werden wir vom Direktor und seiner Stellvertreterin erwartet. Verschiedene Menschen werden uns vorgestellt und man informiert uns über das Theater. Um 11 Uhr beginnt die Vorstellung „Giraffe und Nashorn“, ein altes Stück von einem deutschen Autor. Die zweihundert Plätze sind fast alle besetzt, die Kinder sind begeistert und gehen toll mit. Zwei kleine Mädchen möchten gar auf die Bühne springen, doch die ist zu hoch und so bleiben sie mit glänzenden Augen staunend von der Bühne stehen. Die vier Darsteller vermitteln den Kindern temperamentvoll und witzig mit diesem Stück, dass es nicht auf das Äußere Erscheinungsbild ankommt, um einen Menschen zu lieben oder von ihm geliebt zu werden, sondern allein auf die Menschen und Ihre Gefühle. Tosender Applaus folgt.
Im Büro des Direktors besprechen wir die Reise des Puppentheaters nach Hagen. Es gibt Wasser, Kaffee, und leckeren grünen Tee. Natürlich gehören dazu die besonderen russischen Pralinen. Alle offenen Fragen können beantwortet werden – die Detailplanung wird beginnen. Zwei der Puppenspieler, die nach Hagen reisen werden, kommen kommen aus der Garderobe in das Zimmer des Direktors. Sie sprühen vor Tatendrang und Reiselust – wir werden viel Freude mit diesen aufgeschlossenen Schauspielprofis in Hagen haben. Wahrscheinlich muss Alex für die Zeit Urlaub nehmen, um die Truppe zu betreuen, denn sie haben sie fest in ihr Herz geschlossen.
Bis zum Abschiedskaffee um 15 Uhr ist noch Zeit zum Bummeln. Auf der Oktoberrevolution-Straße treffe ich auf eine fröhliche Gruppe Studenten aus Berlin, die nach Smolensk gereist sind, um die Hochzeit eines Freundes mit einer Smolenskerin zu feiern. Sie sind baff, wie intensiv die Smolensker diese Feste feiern. Wir haben heute Morgen bereits sechs oder auch mehr Hochzeitspaare gesehen, die sich an vielen Sehenswürdigkeiten der Stadt fotografieren lassen. Man heiratet wieder in Smolensk und gründet gern eine Familie, denn es gibt eine Familienpolitik, die den jungen Familien Sicherheiten für die Zukunft garantiert. Deshalb nimmt die Geburtenrate ebenfalls stark zu – man sieht die Zukunft in Smolensk positiv!! In den dreizehn Jahren, die ich nach Smolensk reise, habe ich noch nie so viele schwangere junge Frauen im Stadtbild gesehen.
Leider kann man über diese wunderbare Aufbruchstimmung in der jungen Generation bei uns in Deutschland nichts in der Presse lesen – unsere Politiker könnten sich daran ein Beispiel nehmen, wie sich Familienpolitik gestalten lässt und welche Perspektiven junge Menschen benötigen, um Zukunftsängste auszuschließen.
Das tolle Leinengeschäft in der Nikolayeva ist leider nur noch mit Angeboten für Damen am Markt. Am Platz des Sieges wurde ein neues Einkaufszentrum eröffnet. Auf der anderen Straßenseite befindet sich DAS Teegeschäft von Smolensk. Natürlich muss bei der Riesenauswahl an Tee einiges mit ins Gepäck.
Das neue Denkmal am Platz des Sieges wirkt sehr altbacken und es erinnert an vergangene, entbehrungsvolle Zeiten und opfereiche Kriege, aber man erinnert sich wenigstens an seine Geschichte und Künstler erhalten öffentliche Aufträge! Vom künstlerischen Standpunkt her hat mit der Entwurf von Alexander Parfeonov besser gefallen. Aber et iss wie et iss, wenn eine Jury entscheidet.
Mit Katja, Aleksej und Lena nehmen wir Abschied von Smolensk – es war eine kurze und knackige Reise, die uns in unserer Arbeit wieder ein Stück voran gebracht hat. Dank an Euch, dass ihr uns immer perfekt zur Seite steht!!
Alex und Michael möchten noch gern den Smolensker Bahnhof sehen. Lena fährt uns kurz entschlossen hin. Dieses von innen und außen mehr als beeindruckende Bauwerk ist der letzte Eindruck, den wir von Smolensk mitnehmen.
Es fehlt nur noch ein Verkehrsmittel, das wir in Smolensk noch nicht benutzt haben: ein Taxi.
Das machen wir nun. Alex bestellt mit deutschem Handy ein Taxi vom Bahnhof zum Hotel Smolensk – es kostet 110 Rubel (umgerechnet sind es z. Z. 1,80 Euro). Kurz bevor der Taxifahrer den Bahnhof erreicht, kündigt er sich auf Michaels Handy an und bestätigt den Preis. Das ist kein gutes Geschäft für das Taxiunternehmen, denn allein die beiden Gespräche zu Michaels Handy haben mindestens 3 Euro gekostet. Da fragt sich ein Bankmensch: Wie geht das?
Noch eine kleine Mahlzeit im „Märchen-Mac-Donalds“ von Smolensk (Gruß an Thomas Mehl, der diese Restaurantbezeichnung erfunden hat).
Noch ein paar Einkäufe für die Reise nach Hause und etwas schlafen, bevor wir um 1 Uhr in der Nacht nach Moskau fahren.
07.06.2015 Sonntag
Unser Fahrer Alexsej ist superpünktlich und bei bester Laune. Vom Hotel fahren wir noch vor 1 Uhr los. Es geht in der Nacht schnell voran, denn der Verkehr hält sich in Grenzen. Irgendwann rast mit ohrenbetäubendem Lärm ein Motorrad wie ein Düsenjäger an uns vorbei. 150 Kilometer vor Moskau ist plötzlich Blaulicht auf der Autobahn zu sehen. Alexej fährt langsam auf die Stelle zu. Eine große Elchkuh liegt auf der Gegenfahrbahn und blickt erhaben und stolz auf den vorbei rauschenden Verkehr. Offenbar wurde sie von einem Auto am linken Vorderbein verletzt und kann sich nicht mehr bewegen. Die Polizisten schützen das Tier mit ihren Einsatzfahrzeugen. Offensichtlich warten sie auf Hilfe.
Selbst in Moskau ist kein Verkehr, so dass uns Alexej bis zum Kreml fahren kann. Wir bedanken uns bei ihm, der in Moskau bleibt, um eine Gruppe, die aus Hagen kommt, zurück nach Smolensk zu bringen – privjet an Oleg.
Zahlreiche Nachtschwärmer begegnen uns im Park unterhalb des Kremls. Aber keiner scheint betrunken zu sein, die Menschen gehen spazieren, sitzen auf Bänken und reden miteinander – es ist 5 Uhr. Langsam schlendern wir durch den Park an den Märchenskulpturen im Brunnen vorbei Richtung „Roter Platz“. Bei dem Gasthaus mit dem großen „M“, wo es „fast Essen“ gibt, drängen sich junge Leute, um den Fetthaushalt aufzufüllen. Der Müll vor diesen „Gourmet“-Restaurants ist überall auf der Welt gleich. Dagegen kommen selbst Moskaus Fegekolonnen nicht an.
Vom Roten Platz kommen uns Paare in Abendkleidern und Frack entgegen und nachdem wir den Patz erreichen haben, sehen wir, dass es hier einen Ball unter freiem Himmel gegeben haben muss – es erinnert an den Opernball in Wien. Noch immer tanzen viele Paare auf dem holperigen Pflaster, doch ihre Bewegungen sind alles andere als holperig – welch ein Anblick: Russlands junge Menschen tanzen auf dem Roten Platz!! Keine Polizei, kein Militär, keine Journalisten; nur tolle junge Menschen, die Freude am Tanzen und Leben haben!
Mit unseren Koffern tippeln wir weiter zur Moskwa-Brücke – hier gab es am Wochenende ein Autorennen mit Elektroautos. An der Stelle, an der der Oppositionspolitiker N. erschossen worden ist, halten Menschen inne und legen auch Blumen ab.
Das GUM hat noch bis 10 Uhr geschlossen, aber danach pulsiert das Leben in Moskau wie an jedem Tag, so auch am Sonntag. Hier fliegt die Zeit an den Menschen vorbei – es ist schon acht Uhr. Es gibt ein tolles Frühstück in einem kleinen Café neben dem GUM, dann am Bolschoi-Theater vorbei zur Metro.
Nach zwei Stationen erreichen wir den Paveletsky-Bahnhof. Nach 45 Minuten mit dem Expresszug sind wir wieder am Flughafen und warten, dass uns Air-Berlin nach Düsseldorf fliegt. Natürlich wurde auch dieses Mal wieder das für den Abflug angekündigte Gate geändert – das hat schon Tradition in Domodjedovo.
Wie war noch die Formulierung? Eine kurze, aber knackige Reise mit guten Ergebnissen für unsere Arbeit!
Auf dem Rückweg nach Wuppertal habe ich Michael und Alexandra zwei Fragen gestellt:
1. Welcher Ort kommt Euch als erster in den Sinn, wenn ihr an Smolensk zurückdenkt?
Beide antworteten übereinstimmend: Das Atelier von Aleksej Dovgan und der Leninplatz!
2. Welcher Mensch hat bei euch den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen?
Beide antworteten übereinstimmend: Ekaterina Zakharova-Demko!