Der Text stammt von einer uns namentlich nicht bekannten russischen Verfasserin. Wir haben ihn im Internet in russischer Sprache gefunden und sinngemäß übersetzt:
„Das Thermometer vor dem Fenster zeigt zehn Grad unter Null an, auch nach den Vorhersagen des Radios. Sie müssen sehr begeistert sein von der Fotografie oder der Umfrage zum Denkmal oder beides zusammen, dass sie bei einem solchen Frost und Wind hinaus gehen, um speziell das Kunstwerk zu bewundern, das Shemyakin mit seinen Händen gestaltet hat. Aber Sie müssen beachten, dass das Moskauer Wetter als launische Diva ist und zu Streichen neigt. Zum Beispiel im Januar, blieb die Temperatur konstant bei etwa 5 Grad, manchmal sank sie gnädig fast auf Null. Und wenn die Temperatur plötzlich von plus auf minus ging, verdeckte der Schnee alle Untaten. Doch es ist nicht an der Zeit auf das Wetter für den Monat Januar zurück zu blicken, denn es ist Tauwetter, alles schmilzt, so dass Schlamm und Matsch sich ausbreiten.
Bei diesen äußeren Bedingungen erreichte ich die Skulpturen und nun zu ihrer Beschreibung.
Das Kunstwerk befindet sich im Park an einem trocken gelegten Sumpf am Ufer der Moskwa, und ich muss sagen, dass er versteckt zwischen den Bäumen und nicht leicht zu entdecken ist. Im Sommer, wenn das Laub alles umschließt und unaufmerksame Passanten zu Fuß vorbei gehen, kann es sein, dass sie das Kunstwerk nicht bemerken. Es gibt eigentlich keinen Anlass, besorgt zu sein, dass die Skulpturen im Zentrum der Stadt beschädigt werden. Insofern gibt es sicher keinen Grund für den beeindruckenden Lattenzaun, der den Bereich zusätzlich umschließt – er ist auch fast ein Kunstwerk. In der Mitte der Skulpturengruppe stehen zwei goldene Kinderfiguren – ein Junge und ein Mädchen mit verbundenen Augen. Sie streckten ihre Hände aus, als ob sie auf der Suche nach etwas wären. In einem Halbkreis sind sie von verschiedenen Figuren umgeben, die die Laster symbolisieren – es sind dreizehn Skulpturen: Drogenabhängigkeit, Prostitution, Diebstahl, Alkoholismus, Unwissenheit, falsche Lehren, Gleichgültigkeit, Propaganda von Gewalt, Sadismus, Menschen ohne Gedächtnis, Ausbeutung durch Kinderarbeit, Armut, Krieg. Ich bin nicht sicher, ob alles was sie als Schwächen der Menschen darstellen (z. B. das Eintreten für Gewalt ist für mich eindeutig kein Laster und auch nicht Propaganda), aber der Autor wird es sicher begründen können.
Das Mädchen und der Junge sind aus gelbem Metall, die Laster sind grau und sie sind höher und größer als die Kinder. Es wird deutlich, auf welcher Seite mehr Kraft liegt. Die grauen Figuren sind wirken durch die Färbunf hässlich und stehen sehr aufrecht, sie ziehen die Kinder nicht unmittelbar in ihren Bann … was wollen sie von ihnen? .. Greifen ihre Arme oder Tentakeln nach den Kindern. Ich weiß nicht was der Autor im Sinn hatte, aber ich gewinne nicht den Eindruck, dass diese Freaks die Kinder direkt bedrohen. Vielmehr stehen sie und scheinen auf etwas zu warten: Warte nur, wenn du auch erwachsen bist, fragen wir Sie! Allerdings haben einige Laster ihre Arme doch ausgestreckt und es ist durchaus möglich, dass, wenn die Kinder versehentlich Kontakt finden, sie bei den Beinen gepackt werden.
Gesamteindruck: Ich denke, das Kunstwerk ist sehr interessant und es stellt sich keine Ablehnung ein. Warum denke ich nicht eine Minute darüber nach, in welcher Welt Kinder leben? Niemand fragt nach deren Leben. Die einzige Frage:
Wer hat die Augen der Kinder verbunden? Logisch ist – Kinder sind hilflos gegen die Welt der Erwachsenen, aber wer wird es ihnen schon erlauben, in der Dunkelheit ohne Fürsorge und Obhut blind in dieser Welt umher zu laufen? Hier sind meine Gedanken ins Stocken geraten und ich glaube, ein Missverständnis in der Intention des Autors erkannt zu haben.
An diesem frostigen Wintertag bin ich allein am dort und trete über eine Kette, die auf dem Sockel montiert ist, um die Figuren aus der Nähe zu fotografieren. Unmittelbar ertönt ein lauter Pfiff, dann ruft jemand und ich begreife endlich, dass in dieser Stille und Leere wahrscheinlich jemand nach mir schreit. Ich blicke auf – am Zaun steht ein Mann vor einer Holzbude- offenbar der Bewacher der Anlage. Als ich ihn bemerke, erklärt er mir, dass ich nicht über die Ketten steigen darf. Ich habe versucht, ihm einen kleinen Gefallen zu entlocken. Erlauben sie es mir: ich tue nichts, ich will nichts berühren, einfach nur ein paar Bilder schießen, aber er bleibt hart. Ich diskutierte weiter nicht mit dem Mann, beschließe vor die Kette zurück zu treten und die Skulpturen von dort aus zu betrachten.
Aber warum muss dieses Kunstwerk geschützt werden? Und wie viel kostet es die Stadt? Aber es muss bewacht werden, denn es möchte nicht jeder diese Figuren sehen, aber schon etwas Schlechtes mit ihnen anstellen und so einen Beitrag im Kampf gegen das böse Laster leisten. Ein Beitrag wurde geleistet: An einer Skulptur wurden einige Bronzeteile abgesägt. Es ist besser, wenn diese Verbrecher etwas Brennholz haben oder eine rüstige Frau…
Am Ufer der Moskwa ist es an einem frostigen Wintertag traumhaft schön! Man kann die Kuppeln der Kreml-Kirchen sehen, weiß und still. Phantastisch! Sie sind nur ein wenig von der Skulpturengruppe entfernt …“
4. Februar 2005 –unbekannte russische Verfasserin
Ergänzend bemerke ich meinen ersten Eindruck aus dem Jahre 2005 von den Skulpturen:
Man möchte die Kinder mit den Augenbinden sogleich an die Hand nehmen und sie den bedrohlichen Lastern entziehen, aber es geht nicht – es ist wie im richtigen Leben.
Hans-Werner Engel